
Unsere Furcht vor Zärtlichkeit – Von Schwierigkeit und Potenzial meiner Arbeit
07.02.2025 - 18:12 Uhr
„Zärtlichkeit als Beruf? Ernsthaft?“ Die Frage hängt unausgesprochen in der Luft, wenn ich von meiner Arbeit erzähle. Manchmal wird sie auch direkt ausgesprochen, mit hochgezogenen Augenbrauen und diesem vorsichtigen Unterton, der irgendwo zwischen Unsicherheit und leiser Skepsis liegt.
Neulich sagte eine Freundin zu mir: „Das ist mutig von dir.“ Sie meinte meine Praxisgründung. Ich zögerte. Dann schüttelte ich den Kopf. Nein, mutig war für mich nicht das Gründen. Mut erforderte etwas anderes: mit einem Thema in die Welt zu gehen, das nicht sofort auf ein unbefangenes Willkommen stößt. Ein Thema, das Menschen erst einmal auf Abstand hält. Es geht um Zärtlichkeit.
Ein Business gründen zum Thema Berührung? Und dann noch das Wort Zärtlichkeit auf der Landingpage? Das klingt nicht nur schräg (und irgendwie ein bisschen anstößig), es scheint sich sogar zu widersprechen. Zärtlichkeit hat etwas Fragiles, etwas, das nicht ins Bild einer leistungsorientierten Welt passt. Man bekommt schnell zu hören: „Braucht man das wirklich? Ist das nicht zu privat? Zu weich? Zu esoterisch?“ Und ich merke, wie eine innere Mauer aus Skepsis und Abwehr emporsteigt.
Wellnessmassagen, gerne. Physiotherapie, unbedingt. Psychotherapie, klar. Aber Berührung? Zärtlichkeit? Das wird als unangebracht wahrgenommen, als etwas, das nicht an diesen Ort gehört.
Ich sehe es in meiner Arbeit immer wieder: Menschen haben Angst vor Zärtlichkeit.
Zum einen, weil sie uns an einen verletzlichen Ort führt. Sie erlaubt uns nicht, cool oder kontrolliert zu bleiben. Sie verlangt von uns, uns wirklich zu zeigen – ungeschützt, ungeschminkt, ohne den Filter der Perfektion. In einer Gesellschaft, die Disziplin und Beherrschung als Tugenden feiert, ist Zärtlichkeit der Inbegriff von „Loslassen“. Und das ist unbequem. Es ist unbequem, sich etwas zu wünschen, das nicht sofort in ein Produkt oder eine Leistung umgemünzt werden kann.
Gerade weiblich sozialisierte Menschen kennen diesen Mechanismus gut – aber aus der anderen Richtung. Sie haben gelernt, dass Zärtlichkeit etwas ist, das sie geben, um gebraucht oder geliebt zu werden. Etwas, das von ihnen erwartet wird, aber selten für sie selbst bestimmt ist. So wird Zärtlichkeit zu einer Ressource, die nach außen fließt, aber kaum zu ihnen zurückkehrt.
Zum anderen ist Zärtlichkeit in unserer Kultur fast immer mit Intimität und damit mit Sexualität verknüpft.
Wir haben gelernt, sie nur dann zuzulassen, wenn sie eine sexuelle Absicht verfolgt. Wir haben sie in eine enge, oft schmerzhafte Definition gepresst: Zärtlichkeit als Mittel der Verführung, als Vorspiel, als manipulative Geste.
Die Verbindung zur Sexualität macht sie auf doppelte Weise kompliziert. Für manche ist sie in diesem Kontext bedrohlich, weil sie so oft mit Erwartungen und Grenzüberschreitungen verbunden war. Für andere ist sie nur in diesem Kontext greifbar – sie haben keinen anderen Rahmen gelernt, in dem sie Zärtlichkeit empfangen oder geben dürfen. So bleibt Zärtlichkeit für viele eine ambivalente Erfahrung: Die einen erlauben sie sich nur, wenn sie mit Sexualität einhergeht. Die anderen haben Angst vor ihr, genau weil sie mit Sexualität verbunden wird.
Und dann gibt es noch die Scham. Die Zärtlichkeit hat eine Schwester, und das ist die Scham. Sie hält uns zurück, wenn wir nach ihr greifen wollen. Sie flüstert uns ein, dass wir zu bedürftig sind, zu weich, zu wenig „erwachsen“, wenn wir uns danach sehnen.
Doch Zärtlichkeit ist nicht Sexualität. Sie ist nicht ein Mittel zum Zweck. Sie ist nicht das, was „zum nächsten Schritt führt“. Sie ist ein Zustand des Seins, in dem wir einfach angenommen werden – ohne Forderungen, ohne Erwartungen, ohne Bedingungen.
Zärtlichkeit ist der Raum, in dem wir uns sicher fühlen, ohne uns erklären oder verändern zu müssen. Und genau diese Zärtlichkeit fehlt uns in einer Welt, die immer schneller, kälter und funktionaler wird.
Ich glaube, wir brauchen Räume, in denen wir uns wieder an Zärtlichkeit gewöhnen können. Räume, in denen sie nicht peinlich oder verdächtig ist. Räume, in denen wir wieder lernen dürfen, sie zu empfangen – ohne Angst, ohne Scham, ohne Missverständnisse.
Ich wage es, einen noch größeren Bogen zu spannen.
Denn wenn wir die Zärtlichkeit aus unserem Leben drängen, laufen wir Gefahr, unsere eigene Menschlichkeit zu verlieren.
Wir leben in einer Welt, in der künstliche Intelligenz immer mehr übernimmt, in der Technologie schneller entscheidet, als wir fühlen können. Eine Welt, in der Macht und Kontrolle wieder lauter werden. Eine Welt, in der Menschen sich nur noch als Funktionseinheiten begreifen – optimiert, produktiv, effizient.
Zärtlichkeit ist unser Widerstand gegen diese Entfremdung. Sie ist das Band, das uns verbindet – über Grenzen hinweg, über Ideologien hinweg, über alles hinweg, was uns trennt.
Ich glaube, dass wir nicht weniger, sondern mehr Zärtlichkeit brauchen. Nicht als Luxus, nicht als sentimentales Extra. Sondern als Notwendigkeit.
Denn ohne sie verlieren wir, was uns menschlich macht.
Neulich sagte eine Freundin zu mir: „Das ist mutig von dir.“ Sie meinte meine Praxisgründung. Ich zögerte. Dann schüttelte ich den Kopf. Nein, mutig war für mich nicht das Gründen. Mut erforderte etwas anderes: mit einem Thema in die Welt zu gehen, das nicht sofort auf ein unbefangenes Willkommen stößt. Ein Thema, das Menschen erst einmal auf Abstand hält. Es geht um Zärtlichkeit.
Ein Business gründen zum Thema Berührung? Und dann noch das Wort Zärtlichkeit auf der Landingpage? Das klingt nicht nur schräg (und irgendwie ein bisschen anstößig), es scheint sich sogar zu widersprechen. Zärtlichkeit hat etwas Fragiles, etwas, das nicht ins Bild einer leistungsorientierten Welt passt. Man bekommt schnell zu hören: „Braucht man das wirklich? Ist das nicht zu privat? Zu weich? Zu esoterisch?“ Und ich merke, wie eine innere Mauer aus Skepsis und Abwehr emporsteigt.
Wellnessmassagen, gerne. Physiotherapie, unbedingt. Psychotherapie, klar. Aber Berührung? Zärtlichkeit? Das wird als unangebracht wahrgenommen, als etwas, das nicht an diesen Ort gehört.
Warum wir Angst vor Zärtlichkeit haben
Ich sehe es in meiner Arbeit immer wieder: Menschen haben Angst vor Zärtlichkeit.
Zum einen, weil sie uns an einen verletzlichen Ort führt. Sie erlaubt uns nicht, cool oder kontrolliert zu bleiben. Sie verlangt von uns, uns wirklich zu zeigen – ungeschützt, ungeschminkt, ohne den Filter der Perfektion. In einer Gesellschaft, die Disziplin und Beherrschung als Tugenden feiert, ist Zärtlichkeit der Inbegriff von „Loslassen“. Und das ist unbequem. Es ist unbequem, sich etwas zu wünschen, das nicht sofort in ein Produkt oder eine Leistung umgemünzt werden kann.
Gerade weiblich sozialisierte Menschen kennen diesen Mechanismus gut – aber aus der anderen Richtung. Sie haben gelernt, dass Zärtlichkeit etwas ist, das sie geben, um gebraucht oder geliebt zu werden. Etwas, das von ihnen erwartet wird, aber selten für sie selbst bestimmt ist. So wird Zärtlichkeit zu einer Ressource, die nach außen fließt, aber kaum zu ihnen zurückkehrt.
Zum anderen ist Zärtlichkeit in unserer Kultur fast immer mit Intimität und damit mit Sexualität verknüpft.
Wir haben gelernt, sie nur dann zuzulassen, wenn sie eine sexuelle Absicht verfolgt. Wir haben sie in eine enge, oft schmerzhafte Definition gepresst: Zärtlichkeit als Mittel der Verführung, als Vorspiel, als manipulative Geste.
Die Verbindung zur Sexualität macht sie auf doppelte Weise kompliziert. Für manche ist sie in diesem Kontext bedrohlich, weil sie so oft mit Erwartungen und Grenzüberschreitungen verbunden war. Für andere ist sie nur in diesem Kontext greifbar – sie haben keinen anderen Rahmen gelernt, in dem sie Zärtlichkeit empfangen oder geben dürfen. So bleibt Zärtlichkeit für viele eine ambivalente Erfahrung: Die einen erlauben sie sich nur, wenn sie mit Sexualität einhergeht. Die anderen haben Angst vor ihr, genau weil sie mit Sexualität verbunden wird.
Und dann gibt es noch die Scham. Die Zärtlichkeit hat eine Schwester, und das ist die Scham. Sie hält uns zurück, wenn wir nach ihr greifen wollen. Sie flüstert uns ein, dass wir zu bedürftig sind, zu weich, zu wenig „erwachsen“, wenn wir uns danach sehnen.
Zärtlichkeit ist mehr als Intimität
Doch Zärtlichkeit ist nicht Sexualität. Sie ist nicht ein Mittel zum Zweck. Sie ist nicht das, was „zum nächsten Schritt führt“. Sie ist ein Zustand des Seins, in dem wir einfach angenommen werden – ohne Forderungen, ohne Erwartungen, ohne Bedingungen.
Zärtlichkeit ist der Raum, in dem wir uns sicher fühlen, ohne uns erklären oder verändern zu müssen. Und genau diese Zärtlichkeit fehlt uns in einer Welt, die immer schneller, kälter und funktionaler wird.
Ich glaube, wir brauchen Räume, in denen wir uns wieder an Zärtlichkeit gewöhnen können. Räume, in denen sie nicht peinlich oder verdächtig ist. Räume, in denen wir wieder lernen dürfen, sie zu empfangen – ohne Angst, ohne Scham, ohne Missverständnisse.
Warum die Welt Zärtlichkeit braucht
Ich wage es, einen noch größeren Bogen zu spannen.
Denn wenn wir die Zärtlichkeit aus unserem Leben drängen, laufen wir Gefahr, unsere eigene Menschlichkeit zu verlieren.
Wir leben in einer Welt, in der künstliche Intelligenz immer mehr übernimmt, in der Technologie schneller entscheidet, als wir fühlen können. Eine Welt, in der Macht und Kontrolle wieder lauter werden. Eine Welt, in der Menschen sich nur noch als Funktionseinheiten begreifen – optimiert, produktiv, effizient.
Was fehlt, ist die Berührung. Was fehlt, ist das Spüren.
Zärtlichkeit ist unser Widerstand gegen diese Entfremdung. Sie ist das Band, das uns verbindet – über Grenzen hinweg, über Ideologien hinweg, über alles hinweg, was uns trennt.
Ich glaube, dass wir nicht weniger, sondern mehr Zärtlichkeit brauchen. Nicht als Luxus, nicht als sentimentales Extra. Sondern als Notwendigkeit.
Denn ohne sie verlieren wir, was uns menschlich macht.