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Anouk Aipperspach
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Wenn Ruhe unruhig macht - Die andere Seite der Entspannung
03.02.2025 - 19:20 Uhr
Immer wieder beobachte ich in meiner Arbeit etwas, das auf den ersten Blick völlig paradox erscheint: Menschen kommen mit dem dringenden Wunsch nach Entspannung – und kaum kündigt sie sich an, fährt das System hoch und macht dicht.

Jemand legt sich auf die Liege, seufzt tief – und dann? Die Atmung wird flacher, Finger zucken, die Augen öffnen sich, als lauere irgendwo eine unsichtbare Gefahr. Manch einer fängt an zu reden, als könnten die Worte meine Hände ein klein wenig auf Distanz halten.

Früher hat mich das verunsichert. Heute weiß ich: Das ist total normal.

Denn Entspannung ist nicht einfach nur ein weiches Kissen, auf das wir uns fallen lassen.


Sie ist auch ein Spiegel – und manchmal zeigt sie uns Dinge, die wir lieber nicht sehen wollten.

“Entspann dich doch mal!” – ein Satz, der wenn überhaupt nur die Augen rollen lässt…

Vielleicht kennst du das: Du setzt dich mit einem Cappuccino aufs Sofa, willst mal so richtig abschalten – und nach 20 Sekunden greifst du doch wieder zum Handy. Oder du legst dich abends ins Bett, völlig erledigt, aber statt sanft einzuschlafen, startet dein Gehirn eine PowerPoint-Präsentation über alles, was du jemals falsch gemacht hast.

Und dann kommt der gut gemeinte Ratschlag: „Du musst einfach mal wieder etwas entspannen!“ Als ob das so einfach wäre.

Ich halte diesen ganzen „Selfcare ist jetzt dein neues Must-Do“-Wahnsinn für eine ziemliche Falle. Meditieren, Achtsamkeit, Digital Detox – klingt alles toll, aber wenn wir uns daraus eine weitere Leistung basteln, dann stresst uns nicht nur unser Alltag, sondern auch noch unser vermeintlich entspanntes Leben. Entspannung ist kein Selbstoptimierungsprojekt.

Und vielleicht ist das genau der Grund, warum sie so schwerfällt.

Warum Entspannung nicht einfach nur schön ist


Wir stellen uns Entspannung gerne wie eine warme Badewanne vor – loslassen, Augen zu, alles plätschert wohlig vor sich hin. Aber oft fühlt sie sich eher an wie eine verlassene Lagerhalle, in der plötzlich alle Dinge auftauchen, die wir monatelang in irgendwelche mentalen Schubladen gestopft haben.

Denn sobald es still wird, passiert Folgendes:

Da sind Gedanken, die wir nicht denken wollten – alte Sorgen, Selbstzweifel, ungeklärte Konflikte.

Da kommen Gefühle, die wir verdrängt haben – Traurigkeit, Unsicherheit, vielleicht sogar Angst.

Und wir spüren einen Körper, der sich fremd und taub anfühlt – weil wir uns so lange garnicht mehr darum gekümmert haben, wie es ihm eigentlich geht.

Ich erinnere mich an eine Klientin, die nach einer Massage sagte: „Es war total angenehm, aber auch irgendwie gruselig. Als ob mein Körper plötzlich weich wird – und ich nicht mehr weiß, wie ich mich in mir halten soll.“

Und genau das ist das Dilemma: Wir sehnen uns nach Entspannung – aber wenn sie dann kommt, fühlen wir uns erst mal ziemlich verloren.

Wenn Entspannung selbst Stress auslöst


Falls du dich hier wiedererkennst, dann sei sanft mit dir. Dein Körper macht nichts falsch. Er ist nur verdammt gut darin, dich vor Dingen zu schützen, die du lange nicht fühlen wolltest.

Wie wäre es, klein anzufangen, und dich erstmal ein wenig auszuprobieren, überhaupt erst einmal wieder ein bisschen kennenzulernen? Ich habe hier ein paar Ideen für dich.


  • Bewegung statt Meditation – Nicht jeder kann einfach still liegen und „runterkommen“. Spazierengehen, sanftes Wiegen oder Tanzen sind oft bessere Einstiege.

  • Sichere Rahmenbedingungen – Ein dunkler, geschlossener Raum kann für manche Leute eher nach Horrorfilm als nach Wellness klingen. Finde heraus, wo du dich wirklich wohlfühlst.

  • Kleine Schritte statt großer Erwartungen – Statt eine Stunde meditieren zu „müssen“, fang mit drei tiefen Atemzügen an.

  • Übergänge gestalten – Absolute Stille kann beängstigend sein. Sanfte Musik, ein Hörbuch oder das Geräusch von Regen kann helfen, sich langsam auf Entspannung einzulassen.



Entspannung ist kein Leistungsziel.


Lass dir nicht einreden, dass du dich nur mal ein bisschen mehr anstrengen musst, um zu entspannen. Das ist Unsinn.

Wenn Ruhe in dir Unruhe auslöst, bedeutet das nicht, dass du versagt hast – es bedeutet einfach nur, dass dein System noch im Dauerlauf steckt.

Sei geduldig mit dir. Denn echte Entspannung beginnt genau dort – wo du aufhörst, sie erzwingen zu wollen.


Je mehr du dir erlaubst, Entspannung nicht zu erzwingen, sondern auf deine eigene Weise zu entdecken, desto leichter wird es mit der Zeit. Entspannung ist ein Weg. Vielleicht ist der erste Schritt nicht das große Loslassen, sondern einfach ein Moment, in dem du dir selbst ein bisschen mehr Raum gibst.
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